2 Fragen und Antworten
RP: Für die Zementklinkerproduktion (Drehrohrofen) ist das Regierungspräsidium Tübingen zuständige Genehmigungs- und Überwachungsbehörde.
Für die Genehmigung und Überwachung des Steinbruchbetriebs auf dem Plettenberg ist das Landratsamt Zollernalbkreis zuständige Behörde.
Für die Ölschieferverbrennung ist das Regierungspräsidium Freiburg, Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau zuständige Behörde.
Die Überwachung durch das Regierungspräsidium Tübingen stützt sich einerseits auf kontinuierliche Messungen von Luftschadstoffen. Dies sind z. B. Gesamtstaub, Stickstoffoxide (NOx), Schwefeldioxid (SO2), Quecksilber, Organische Verbindungen (angegeben als Gesamtkohlenstoff) und gasförmige anorganische Chlorverbindungen. Weiter Luftschadstoffe werden durch regelmäßige Einzelmessungen überwacht.
Die Mess- und Auswerteeinrichtungen für die kontinuierlichen Emissionsmessungen müssen bundeseinheitlich vorgegebenen Standards entsprechen und regelmäßig geprüft und kalibriert werden.
Die Einzelmessungen dürfen nur von bekanntgegebenen Stellen nach § 29 b Bundes-Immissionsschutzgesetz durchgeführt werden.
Durch die aktuelle Änderungsgenehmigung für die Zementklinkerproduktion wurde die Firma Holcim verpflichtet, ein Bodenmonitoring durchzuführen, um feststellen zu können, ob und ggf. in welchem Umfang sich in der Umgebung des Werkes Schadstoffe auf dem Boden ablagern. Momentan wird das Monitoringkonzept erarbeitet und zwischen den Fachleuten und den Behörden abgestimmt. Dies ist besonders anspruchsvoll, da aus vielerlei Quellen (z. B. Verkehr, andere Industrie- und Gewerbebetriebe, Heizungsanlagen oder Einzelfeuerungen privater Haushalte) Schadstoffe freigesetzt werden und auf den Boden gelangen.
Für Baden-Württemberg liegen zwei großflächige Untersuchungen vor, in denen die natürlichen (geogenen) Grundgehalte von Schwermetallen und Arsen in Böden und Ausgangsgesteinen von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW, früher LfU) und dem Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) eingehend untersucht und die Ergebnisse in folgenden Schriften veröffentlicht:
- LfU (heute: LUBW) (1994): Schwermetallgehalte in Böden aus verschiedenen Ausgangsgesteinen Baden-Württembergs
http://www4.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/17078/ - LGRB (2009): Geogene Grundgehalte (Hintergrundwerte) in den petrogeochemischen Einheiten von Baden-Württemberg
http://www.lgrb-bw.de/geologie/projekte/hw_geo (Online-Publikation geplant)
Aus den Untersuchungen des LGRB / der LUBW in Baden-Württemberg ergeben sich für die Schwermetalle sowie für Arsen innerhalb der geologischen Schicht des Unterjura gesteinsbedingt (= geogen) von Natur aus erhöhte Grundgehalte.
Um auf diese Sachverhalte hinzuweisen, wurden vom Regierungspräsidium Tübingen auch eine Pressemitteilung herausgegeben
→ https://rp.baden-wuerttemberg.de/rpt/Seiten/pressemitteilung.aspx?rid=790.
Bifa: Zur Messung der Emissionen in die Luft sind gemäß den Vorgaben der 17. BImSchV bzw. der TA Luft (Technische Anleitung Luft) bestimmte Schadstoffe kontinuierlich oder in Einzelmessungen zu kontrollieren. Die kontinuierlichen Messungen erfolgen mit dafür zugelassenen Geräten, die von unabhängigen und zugelassenen Prüfinstitutionen regelmäßig überprüft werden. Die Messergebnisse werden in einem als „Messwertrechner“ zugelassenen Computersystem zu Halbstunden- und Tagesmittelwerten zusammengefasst. Grenzwertüberschreitungen muss der Anlagenbetreiber unmittelbar der Aufsichtsbehörde melden, die ggf. geeignete Maßnahmen anordnet. Ansonsten erfolgt die Übermittlung der Messergebnisse periodisch. Die Behörde hat die Ergebnisse zu prüfen. Sie hat das Recht, ohne Voranmeldung Einsicht in die Unterlagen zu nehmen.
Einzelmessungen der Schadstoffe, die nicht kontinuierlich gemessen werden, müssen von zugelassenen und unabhängigen Stellen durchgeführt werden. Die Ergebnisse der Messungen sind ebenfalls der zuständigen Behörde zu melden.
Die Unabhängigkeit der Kontrollen ist einerseits durch gesetzliche Vorgaben zur Messtechnik (TA-Luft) sowie durch die Wahl einer zugelassenen Stelle nach BImSchG gegeben.
Kontrolle des Bodens: Mit Nr. 2.3.1 der Genehmigung wird die Fa. Holcim verpflichtet, in Absprache und in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Zollernalbkreis und dem RP Tübingen ein System von Bodenbeobachtungsflächen in Hauptwindrichtung von einem fachkundigen Büro erarbeiten zu lassen. Ziel ist es, mögliche Schadstoffanreicherungen im Boden infolge einer Ablagerung aus der Luft zu erkennen und die weitere Entwicklung zu verfolgen. Neben Messpunkten in Lee bezüglich der Hauptwindrichtung sollte der Messplan auch Messpunkte auf der Luv-Seite enthalten.
Grundsätzlich wären auch Messprogramme zur Überwachung der Umgebungsluft denkbar. Um eine Zuordnung der Immissionen zu bestimmten Einzelquellen zu ermöglichen, wäre den Erfahrungen des bifa Umweltinstituts zufolge ein umfassendes Messnetz erforderlich und müssten Daten in hoher zeitlicher Auflösung ermittelt werden. Derartige Messnetze sind sehr aufwendig im Betrieb. Der Betrieb umfassender Luftqualitätsmessnetze ist im Rahmen wissenschaftlicher Forschungsprojekte darstellbar, nicht aber zur Anlagenüberwachung geeignet.
RP: Die Emissionsgrenzwerte für Anlagen zur Herstellung von Zementklinker oder Zementen, in denen Abfall als Ersatzbrennstoff mitverbrannt wird, sind ebenso wie die Emissionsgrenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen und anderen Abfallmitverbrennungsanlagen in einer Bundesverordnung festgelegt (17. BImSchV). Diese Verordnung sieht auch Ausnahmeregelungen für bestimmte Luftschadstoffe vor, die durch die Zusammensetzung des eingesetzten Rohmaterials (z. B. Kalkgestein) bedingt sind.
Aus dem mitverbrannten Abfall herrührende Emissionen können nicht zur Begründung einer Ausnahme von den Grenzwerten der 17. BImSchV herangezogen werden.
Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz sieht vor, dass Abfälle – wenn irgend möglich – vorrangig wieder im Produktionskreislauf eingesetzt werden. Bei der Zementklinkerproduktion werden Regelbrennstoffe (Kohle) durch konfektionierte (aufbereitete) Abfälle ersetzt. Dadurch werden fossile Brennstoffe und die ansonsten beim Einsatz der fossilen Brennstoffe frei werdenden Emissionen „eingespart“.
Für den Einsatz als Ersatzbrennstoff (zur Substitution von i. d. R. fossilen – Regelbrennstoffen) sind bei der Zementklinkerproduktion in Dotternhausen aktuell zugelassen:
- EBS Kunststoff
- Tiermehl/-fett
- Trockenklärschlamm (TKS)
- Heizwertreiche Flugasche
- Ölemulsion / Bearbeitungsöle
- Altreifen und Gummiabfälle
- Papierfaserfangstoffe und Deinking
- bituminöse Dachpappen
- Biomasse (ASN-Nr. 07 05 99).
Bifa: Grundsätzlich sind die Anforderungen an die Emissionen bei der Mitverbrennung nicht niedriger als in regulären Müllverbrennungsanlagen. In 3 Punkten unterscheiden sie sich, nämlich beim Tages- und Jahresmittelwert der Emissionen von Stick(stoff-)oxiden (NOx), bei den Emissionen von Ammoniak (NH3) und bei den Staubemissionen. Grund für die Unterschiede sind die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen, die es bei Zementwerken trotz hoher Abreinigungsgrade nicht ermöglichen, gleich niedrige Werte zuverlässig einzuhalten. Die gesetzlichen Standards sowohl für Müllverbrennungsanlagen als auch für Abfallmitverbrennungsanlagen sind in der 17. BImSchV verbindlich geregelt. Sie wurden so festgelegt dass die Schutzziele (vor allem Schutz der Gesundheit von Mensch und Umwelt) erreicht werden können, ohne den Gesichtspunkt der technischen Machbarkeit zu vernachlässigen.
Die ungünstigeren Ausgangsbedingungen der Abgasreinigung sind bei den Stickoxiden begründet in den sehr hohen Temperaturen zur Klinkerherstellung, die über den Hauptbrenner erreicht werden müssen. Hohe Flammentemperaturen führen brennstoffunabhängig zu hohen NOx-Konzentrationen. Bei Zementwerken ohne Minderungsmaßnahmen liegen diese im Bereich bis zu rund 2000 mg/m³. Bei Abfallverbrennungsanlagen sind die NOx-Ausgangskonzentrationen mit 400 – 600 mg/m³ wesentlich niedriger.
Dem trägt der Gesetzgeber insofern Rechnung, dass der Tagesmittelwert für Zementwerke bei der Verbrennung von Abfällen bei diesem Schadstoff auf 200 mg/m³ festgelegt wurde, Müllverbrennungsanlagen im Jahresmittel aber mit 100 mg/m³ (Tagesmittel 150 mg/m³) einen niedrigeren Wert einhalten müssen.
Dass die bei Zementwerken zulässigen Ammoniak-Konzentrationen höher sind als in Abfallverbrennungsanlagen hängt einerseits damit zusammen, dass zur Abreinigung der Stickoxide ein höherer Abscheidegrad bei der Entstickung erforderlich ist. Das bedingt einen höheren „Schlupf“ des Reduktionsmittels Ammoniak. Andererseits haben Zementwerke über den Rohstoff Ton Ammoniakeinträge in das Abgas, die in ungünstigen Fällen sogar Ausnahmen von diesem Grenzwert begründen (s.u.).
Beim Staub liegt die Ausgangskonzentration mit Werten bis zu 200 g/m³ weit über den Ausgangskonzentrationen bei Abfallverbrennungsanlagen (1 – 2 g/m³).
Für Kohlenmonoxid, organisch gebundenen Kohlenstoff, Schwefeldioxid, Quecksilber und Ammoniak ist zur Gleichstellung von Zementwerken mit Ersatzstoff/Abfalleinsatz mit fossil befeuerten Zementwerken die Möglichkeit vorgesehen, Ausnahmen zu genehmigen, sofern diese durch die Eigenschaften der natürlichen Rohstoffe erforderlich sind. Der Einsatz von Abfällen darf nicht Ursache der erhöhten Emissionen sein. Wegen des erhöhten Gehalts von Ammonium und organischen Stoffen in den mineralischen Rohstoffen muss das Werk Dotternhausen Ausnahmeregelungen für Kohlenmonoxid und organisch gebundenen Kohlenstoff in Anspruch nehmen. Diese beiden Parameter sind beim Einsatz von Regelbrennstoffen nicht begrenzt. Im normalen Betriebszustand „Verbundbetrieb“ wirkt die Rohmehlmühle als Teil der Abgasreinigung. Im Betriebszustand „Direktbetrieb“ ist die Rohmehlmühle nicht in Betrieb. Daher wird für diese Betriebsart, die maximal 600 h/a, also weniger als 8 % der Jahresbetriebszeit genutzt wird, auch eine Ausnahme bei den Ammoniakemissionen erforderlich.
Holcim: Ja. Holcim hat in Dotternhausen die modernsten Filter eingesetzt. Diese werden regelmässig überwacht und instand gehalten. Holcim hat für Dotternhausen – nach eingehender Analyse – mit der SNCR-Technik die für diesen Standort am besten passende Technologie im Einsatz. Das zeigen auch die niedrigen Emissionswerte, die die gesetzlich geforderten Grenzwerte unterschreiten.
Der Einsatz einer SCR würde in Dotternhausen zu einer erheblichen Mehrbelastung von über 7.500 t Schadstoffen pro Jahr führen. Dies wurde im Genehmigungsverfahren offen gelegt und in der Erörterung behandelt.
RP: Das Immissionsschutzrecht fordert die Einhaltung des Stands der Technik. Dieser ist in § 3 Abs. 6 BImSchG allgemein als „der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen“ definiert, der „die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt.“
Was als ‚Stand der Technik‘ für den jeweiligen Anlagentyp anzusehen ist, dazu werden in Fachgremien Festlegungen getroffen (z. B. BVT-Merkblätter zur ‚besten verfügbaren Technik‘). Danach ist aktuell sowohl die katalytische Technik (SCR), als auch die nicht katalytische Abgasreinigung (SNCR) als Stand der Technik anzusehen.
Es ist zu beachten, dass sich die Funktionsweisen dieser Techniken nicht lediglich durch den Einsatz eines Katalysators unterscheiden. Vielmehr unterscheiden sich der Anlagenaufbau und die Abgasführung deutlich.
Bifa: Die Frage verstehen wir so, dass die Anlagen zur Abgasreinigung insgesamt gemeint ist und nicht nur das zur Staubabscheidung dienende Gewebefilter. Die zur Abscheidung verschiedener Schadstoffe einzusetzenden Techniken ergänzen einander zur gesamten Abgasreinigungsanlage, sie müssen daher differenzierend betrachtet werden.
Wir verstehen die Frage weiterhin so, dass sie sich nur auf den Unterschied zwischen SNCR und SCR bezieht. Die Grundlage der Abscheidung von Stickoxiden ist die selektive Reduktion mit Ammoniak. In einer SCR-Anlage erfolgt diese Reaktion aufgrund des verwendeten Katalysators bei niedrigerer Temperatur als in einer SNCR-Anlage, bei der kein Katalysator eingesetzt wird.
Um kurze Standzeiten des Katalysators zu vermeiden und um die Gefahr von Verstopfungen gering zu halten, muss der Katalysator hinter der Staubabscheidung angeordnet werden („Low-Dust“-Variante). Dort ist die Abgastemperatur so gering, das das Abgas wieder auf die Betriebstemperatur des Katalysators (> 250°C) aufgeheizt werden muss. Trotz Wärmerückgewinnung bedeutet das einen erheblichen Energieaufwand (bei Aufheizung mit Erdgas typisch knapp 2 m³/t Klinker). Der Wärmeaustauscher und der Katalysator stellen ein Strömungshindernis dar, so dass zur Überwindung des zusätzlichen Druckverlusts eine höhere Leistung am Abgasgebläse aufgebracht werden müsste. Der spezifische Energiebedarf wird mit rund 5 kWh/t Klinker beziffert. Insgesamt bedeutet das, dass eine Stickoxidentfernung mit SCR in Dotternhausen einen höheren Bedarf an Energie (Strom und Wärme) verursachen würde als eine Stickoxidentfernung mit SNCR.
Die dem Mehraufwand an Energie gegenüber stehenden Einsparungen an Reduktionsmittel sind vergleichsweise gering.
Keine der bislang installierten SCR-Anlagen kann NOx-Konzentrationen deutlich unter 200 mg/m³ einhalten.
Die Verfügbarkeit von SCR-Anlagen wird in der Literatur mit etwa 95-97% der Ofenverfügbarkeit angegeben. Für die Zeiträume, in denen die SCR-Anlage abgeschaltet werden muss, müssen erhöhte NOx-Emissionen in Kauf genommen werden.
Bei Einsatz einer SCR-Anlage stünden geringeren NH3-Emissionen während des Direktbetriebs (< 8% der Gesamtbetriebszeit) wesentlich höhere NOx-Emissionen während Abschaltzeiten des Katalysators (ca. 3-5% der Gesamtbetriebszeit) entgegen. Gleichzeitig müsste viel Energie zur Aufwärmung und zur Förderung des Abgases aufgewandt werden.
Die Technik zur Abgasreinigung wird fortlaufend weiterentwickelt. Neben Fortschritten in der Grundlagenforschung wurden vor kurzem für folgende Ansätze erste Anlagen in industriellem Maßstab in Betrieb genommen:
- „high dust SCR“: katalytische Entstickung vor der Entstaubung. Frühere Ansätze schlugen fehl, weil die Katalysatoren schnell inaktiviert wurden und weil es kaum gelang, das Katalysatorbett hinreichend staubfrei zu halten. Mit einer „high dust SCR“-Anlage können rohstoffbedingte Ammoniumemissionen nicht grundsätzlich verhindert werden, so dass hier weiterhin Ausnahmeregelungen beansprucht werden müssten. Betriebserfahrungen der in Betrieb genommenen Anlage sind abzuwarten.
- „Regenerative Thermische Oxidation (RTO) mit integrierter Entstickung“: das Verfahren der thermischen Oxidation organischer Schadstoffe mit integrierter Entstickung wurde an einer Anlage eingesetzt, die massive Probleme mit rohstoffbedingten Emissionen organischer Stoffe hatte. Es bedeutet letztlich eine Nachverbrennung des gesamten Abgasstroms. Die Anlage verursacht viel Abwärme, die in speziellen Fall der realisierten Anlage teilweise genutzt werden kann. Eine Übertragbarkeit auf das Werk Dotternhausen ist derzeit nicht gegeben (vgl. Gutachten zur Begründung der rohstoffbedingten Ausnahmen)
- „DECONOX“: dieser Ansatz stellt eine katalytische Oxidation von im Abgas enthaltenen Schadstoffen dar, die mit einer low-dust-SCR gekoppelt ist. Wie bei der low-dust-SCR sind der Energiebedarf und die laufenden Kosten hoch. Ein Umweltvorteil gegenüber der SCR könnte sich durch die wesentliche Minderung der Emissionen von Kohlenmonoxid und organisch gebundenem Kohlenstoff ergeben. Ausreichende Betriebserfahrungen, die es zulassen würden, die Übertragbarkeit der Technik auf das Werk Dotternhausen zu beurteilen, liegen noch nicht vor.
RP: Für das aktuelle Änderungsgenehmigungsverfahren für die Zementklinkerproduktion wurde ein lufthygienisches Gutachten erstellt. Dabei wurde durch eine Ausbreitungsrechnung ermittelt, zu welchen Immissionen (Einwirkungen) die maximal erlaubten Emissionen (freigesetzten Luftschadstoffe) aus dem Drehrohrofen führen können.
Das Gutachten ergab, dass die von der Zementklinkerproduktion freigesetzten Luftschadstoffe weniger als 3 – 5 % der zulässigen Gesamtbelastung an den jeweiligen Standorten ausmachen.
Für die Deposition von Schwermetallen wird zur Plausibilisierung der Prognose ein Bodenmonitoring durchgeführt.
Bifa: Schon in Genehmigungsverfahren wird im Rahmen der Gutachten zur Lufthygiene und zur Lärmausbreitung die Situation vor Ort berücksichtigt (u.a. Witterungsverhältnisse, Geländeunebenheiten, Bebauung, besonders schützenswerte Bereiche etc.). Anhand einer Ausbreitungsrechnung ist im Vorfeld zu prüfen, ob die Schadstoffimmissionen auch bei ungünstigsten Emissionsbedingungen so gering sind, dass die Umwelt und Umgebung keinen Schaden nehmen.
Messprogramme zur Ermittlung von Bodenverunreinigungen müssen die Situation vor Ort bei der Auswahl der Standorte für Probenahmen und bei der Auswertung und Bewertung der Messergebnisse berücksichtigen. Bei der Bewertung der Ergebnisse ist wichtig zu unterscheiden, welche Anteile der Schadstoffgehalte im Boden geogen bedingt sind, welche eingetragen wurden und welchen Quellen eventuell festgestellte Schadstoffeinträge zugeordnet werden können.
Holcim: Natürlich ist es sinnvoll Messwerte zu vergleichen. In Revisionszeiten (Stillstand der Anlage) sind die Emissionen in der Luft aus dieser Anlage jedoch Null.
Im Zuge der Installation von Bodenbeobachtungsflächen wird dies in Zukunft bez. Immissionen möglich sein.
Holcim: Ja, das wird seit jeher so gemacht. Emissionen werden kontinuierlich gemessen und aufgezeichnet, also auch im Anfahr- und Abfahr-Betrieb.
RP: Der An- und Abfahrbetrieb umfasst, bezogen auf die Gesamtbetriebszeit der Zementklinkerproduktion, eine vergleichsweise kurze Zeitspanne. Im Anfahrbetrieb dürfen ausschließlich Regelbrennstoffe eingesetzt werden. Ersatzbrennstoffe / Abfälle sind im Anfahrbetrieb nicht zulässig.
Bifa: Für unterschiedliche Anlagen gibt es unterschiedliche Grenzwerte. Die Festsetzung von Grenzwerten erfolgt vom Gesetzgeber so, dass ein Schutz von Mensch und Umwelt sichergestellt ist. Dabei werden (internationale) Ziele und Vereinbarungen zur Schadstoffreduktion bzw. zur Verbesserung des Umweltschutzes berücksichtigt. Bei der Festlegung wird auch berücksichtigt, dass in verschiedenen Anlagen unterschiedliche Bedingungen hinsichtlich der eingesetzten Stoffe und der Prozesstechnik bestehen, so dass nicht alle Anlagen dieselbe Abgasqualität erreichen können.
Für die meisten Anlagen sind die relevanten Vorgaben in der Technischen Anleitung Luft (TA Luft) bzw. für Geräuschemissionen in der TA Lärm beschrieben. Vorgaben für Anlagen mit besonderer Bedeutung sind in eigenen Verordnungen zum Bundesimmissionsschutzgesetz enthalten, z.B. der 17.BImschV für Anlagen, in denen Abfälle verbrannt werden.
Dadurch kommt es dazu, dass die Grenzwerte für das Abgas aus dem Drehrohrofen (Grenzwerte der 17. BImSchV) niedriger festgelegt sind als die Grenzwerte für das Abgas der Produktion von gebranntem Ölschiefer (Grenzwerte der TA Luft).
RP: Grenzwerte für Schadstoffemissionen werden von den zuständigen Genehmigungsbehörden im Rahmen der gesetzlichen Regelungen festgelegt.
Für die Anlagen zur Zementklinkerherstellung ist das Regierungspräsidium Tübingen zuständig. Die Emissionsgrenzwerte wurden zuletzt mit Entscheidung vom 22.02.2017 festgesetzt. Die Entscheidung kann eingesehen werden unter:
https://rp.baden-wuerttemberg.de/rpt/Service/Bekanntmachung/Seiten/Immissionsschutz.aspx
Gegen diese Entscheidung wurde Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen erhoben. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird überprüft, ob die Entscheidung rechtmäßig ergangen ist und Bestand haben wird.
Die Einhaltung der Grenzwerte wird durch die zuständige Genehmigungs- und Überwachungsbehörde – für die Zementklinkerproduktion: das Regierungspräsidium Tübingen – überprüft.
Der Betreiber muss regelmäßig über die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte aus der kontinuierlichen Überwachung (Auswertung der Aufzeichnungen des Emissionsrechners) berichten. Die Einzelmessungen werden regelmäßig jährlich durch eine bekanntgegebene Stelle nach § 29b BImSchG durchgeführt. Der Messbericht wird dem Regierungspräsidium Tübingen zur Prüfung vorgelegt.
Bifa: Zur Ableitung von Grenzwerten zum Schutz der Gesundheit (Immissionshöchst- und Zielwerte) wird auf Basis toxikologischer Daten (z.B. Schadwirkung und die Bilanz zwischen Schadstoffaufnahme und Schadstoffausscheidung) abgeleitet, unterhalb welcher Konzentration in der Luft keine gesundheitsschädigenden Effekte zu befürchten sind.
Dabei wird durch Sicherheitsabstände berücksichtigt, dass möglicherweise Teile der Bevölkerung empfindlicher reagieren als der Rest der Bevölkerung. Dies wird durch eine weitere Reduzierung der Grenzwerte auf beispielsweise 1 Zehntel der Konzentration, bei der für Durchschnittsmenschen keine nachteilige Wirkung zu befürchten ist, berücksichtigt.
Zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte wird die Schadstofffreisetzung (Emission) begrenzt und Festlegung von Bedingungen für das Ableiten industrieller Emissionen getroffen.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die von Industrie, Verkehr, Haushalten usw. in die Luft freigesetzten Schadstoffe (=Emissionen), nicht direkt auf Menschen, Tiere und Pflanzen einwirken. Bei der sogenannten Transmission wird das austretende Abgas durch Verlagerung und durch Diffusion verdünnt bevor Anteile davon in Bodennähe kommen. Einige Schadstoffe verändern sich während der Transmission durch chemische Reaktionen mit anderen Bestandteilen der Luft oder durch die Einwirkung von Licht. Das Ausmaß der Verdünnung und der Verfrachtung hängt davon ab, ob Schadstoffe bodennah freigesetzt werden (Verkehr), über Dach (Heizungen) oder über Kamine. Wichtige Einflussfaktoren sind die Witterungsbedingungen und die Gestalt des Geländes. Die Immissionsgrenzen werden daher nicht nur über Begrenzung der Schadstofffreisetzung eingehalten, sondern auch über die Wahl geeigneter Ableitbedingungen.
Explizite Grenzwerte für die Emissionen einzelner Schadstoffe werden für die Prozesse festgesetzt, bei denen mit einer Freisetzung dieser Schadstoffe gerechnet werden muss, nicht aber, wenn sie aufgrund beispielsweise der Brennstoffzusammensetzung ausgeschlossen ist (Beispiel: kein Grenzwert für Schwefeldioxid aus Gasheizungen). Wie stark die Emissionen eines einzelnen Emittenten begrenzt werden können, hängt davon ab, ob es technisch möglich ist, die Emissionen auf einen bestimmten Wert zu begrenzen. Durch technischen Fortschritt wurde es vielfach möglich, Emissionsgrenzen abzusenken. Hier werden die Merkblätter zur besten verfügbaren Technik herangezogen. Sie beschreiben Grenzwerte für Anlagen, die zum Erreichen einer guten Luftqualität als erforderlich angesehen werden und nennen technische ausgereifte Varianten, die sich in der Praxis als geeignet herausgestellt haben, um diese Grenzwerte zu erreichen. Die BVT-Merkblätter werden von der EU in regelmäßigen Abständen überprüft und bei Vorliegen neuer Erkenntnisse bzw. neuer Techniken ggfs. verändert.
Nach Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen wird nach Prüfung vom Umweltministerium bekanntgegeben, in wie fern ein Fortschreiten des Standes der Technik erfolgte und somit im bestehenden Regelwerk festgelegte Regelungen geändert werden. Die Vorgaben der BVT-Schlussfolgerungen haben die Vollzugsbehörden bei den Anlagenbetreibern über Änderungen der Genehmigungen durchzusetzen. Dazu gibt es Vollzugshinweise der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI). Letztlich steht die Festlegung von Grenzwerten in einem internationalen Rahmen, der auch über die Grenzen der EU hinausgeht.
In Deutschland werden die europäischen Vorgaben (Grenzwerte) hauptsächlich durch folgende Strategien umgesetzt:
- Festlegung von Luftqualitätsstandards → umgesetzt in der 39. BImSchV
- emissionsbegrenzende Anforderungen nach dem Stand der Technik beziehungsweise bestverfügbarer Technik sowie Produktregelungen → umgesetzt in der TA-Luft sowie entsprechenden Verordnungen zum BImSchG
- Festlegung von nationalen Emissionshöchstmengen. → umgesetzt in der 39. BImSchV
Überwachung der Einhaltung von Grenzwerten
Die Überwachung der Grenzwerte erfolgt durch die zuständige Behörde (für die Anlage zur Zementherstellung Dotternhausen: RP Tübingen) nach der in der TA-Luft bzw. in zutreffenden Verordnungen vorgegebenen Methodik. Die Aufsichtsbehörde hat das Recht zu unangekündigten Kontrollen und zur Einsicht in die Unterlagen.
Anlagen müssen so betrieben werden, dass die Emissionsgrenzwerte eingehalten werden. Die TA-Luft oder die entsprechende Verordnung z.B. 17. BImSchV beschreiben, welche Stoffe kontinuierlich und/oder in Einzelmessungen und von wem durchgeführt werden müssen. Die jeweilige Art und Weise ist von Anlagentyp zu Anlagentyp verschieden.
Die kontinuierlichen Messungen (online) geben dem Betreiber frühzeitig Hinweis auf Abweichungen und ermöglichen es, Maßnahmen einzuleiten. Wenn Grenzwerte überschritten werden, ist der Betreiber verpflichtet, dies der zuständigen Behörde separat zu melden.
Die Konsequenzen aus Grenzwertüberschreitungen hängen von Ausmaß und Bedeutung der Überschreitung ab. Bei geringen Überschreitungen, z.B. einzelner Tagesmittelwerte, sind keine nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt zu befürchten. Dem entsprechend muss hier nur den Ursachen nachgegangen werden und diese abgestellt werden.
Bei gravierenden Überschreitungen muss zum Schutz von Umwelt und Gesundheit schärfer reagiert werden. Die Konsequenzen bei fortdauernden Überschreiten und/oder Zuwiderhandlungen von Anordnungen reichen von der Verhängung von Bußgeldern bis zu Betriebsstillegungen, Widerruf von Genehmigungen und der Anwendung des Umweltstrafrechts (§§ 324 ff StGB).
RP: Der Gesetzgeber sieht Grenzwerte in Form von Halbstunden-, Tages- und Jahresmittelwerten vor (17. BImSchV). Für eine Bewertung von kurzzeitig erhöhten Emissionen sind als „kleinste Einheit“ die Halbstundenmittelwerte vorgesehen.
Es ist zu beachten, dass es sich bei den festgesetzten Emissionsgrenzwerten (also der Schadstoffmenge, die von der Zementklinkerproduktion freigesetzt werden darf) um Vorsorgewerte handelt. Die Bewertung, ob gesundheitliche Risiken bestehen, erfolgt anhand von Immissionsgrenzwerten. Diese Luftqualitätsstandards sind im europaweit einheitlich vorgegeben und in der 39. BImSchV geregelt.
Bifa: In der 17. BImSchV sind Grenzwerte als Halbstunden-, Tages- und/oder Jahresmittelwerte vorgegeben. Diese sind in der Regel nicht gleich. Der Gesetzgeber berücksichtigt dadurch, dass es prozess- und/oder stoffbedingt zu Schwankungen in der Abgasqualität kommen kann. Durch die kontinuierliche Überwachung der Anlage können Abweichungen frühzeitig erkannt und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.
Zur Überwachung der Anlage sind die zu Halbstunden- und Tagesmittelwerten zusammengefassten Daten geeignet. In dieser Form werden die Messergebnisse der zuständigen Behörde zur Prüfung vorgelegt. Bei Grenzwertüberschreitungen ist der Betreiber verpflichtet, diese der Behörde zu melden. Durch Prüfung der Messberichte kann die zuständige Behörde ebenfalls überprüfen, ob der Betreiber seiner Pflicht (-> Meldung bei Grenzwertüberschreitungen) tatsächlich nachkommt und ggfs. entsprechende Maßnahmen anordnen.
Die Belastungssituation für Mensch und Umwelt lässt sich nur anhand der Emissionen über längere Zeiträume darstellen. Auch kurzfristige Spitzen fließen in diese Mittelwerte ein.
Bifa: In den für die Zementindustrie geltenden BVT-Schlussfolgerungen werden z.B. sowohl SCR als auch SNCR als Stand der Technik zur Reduktion von Stickstoffoxidemissionen beschrieben. Im Zusammenspiel mit anderen bereits vor Ort realisierten bzw. zu realisierenden Maßnahmen zur Abgasminderung ist eine SNCR-Anlage ebenso der beste verfügbare Standard für Filteranlagen in einem Zementwerk wie eine SCR-Anlage. Mit beiden Ansätzen lassen sich gleich niedrige NOx-Emissionen bei geringen NH3-Emissionen erreichen.
Daneben gibt es noch eine Reihe von Technologien, die ggfs. bessere Reinigungsergebnisse erzielen als die bislang als beste verfügbare Technik eingestuften Verfahren. Jedoch handelt es sich dabei häufig noch um vereinzelte Anlagen, Versuchs- oder sogar Pilotanlagen. Sie gelten damit als noch nicht allgemein verfügbar.
Techniken, die einen hohen Reifegrad (erste Großanlagen realisiert) erreicht haben, aber noch nicht allgemein verfügbar sind, sind:
- „high dust SCR“: katalytische Entstickung vor der Entstaubung. Frühere Ansätze schlugen fehl, weil die Katalysatoren schnell inaktiviert wurden und weil es kaum gelang, das Katalysatorbett hinreichend staubfrei zu halten. Mit einer „high dust SCR“-Anlage können rohstoffbedingte Ammoniumemissionen nicht grundsätzlich verhindert werden, so dass hier weiterhin Ausnahmeregelungen beansprucht werden müssten. Betriebserfahrungen der in Betrieb genommenen Anlage sind abzuwarten.
- „Regenerative Thermische Oxidation (RTO) mit integrierter Entstickung“: das Verfahren der thermischen Oxidation organischer Schadstoffe mit integrierter Entstickung wurde an einer Anlage eingesetzt, die massive Probleme mit rohstoffbedingten Emissionen organischer Stoffe hatte. Es bedeutet letztlich eine Nachverbrennung des gesamten Abgasstroms. Die Anlage verursacht viel Abwärme, die in speziellen Fall der realisierten Anlage teilweise genutzt werden kann. Eine Übertragbarkeit auf das Werk Dotternhausen ist derzeit nicht gegeben (vgl. Gutachten zur Begründung der rohstoffbedingten Ausnahmen)
- „DECONOX“: dieser Ansatz stellt eine katalytische Oxidation von im Abgas enthaltenen Schadstoffen dar, die mit einer low-dust-SCR gekoppelt ist. Wie bei der low-dust-SCR sind der Energiebedarf und die laufenden Kosten hoch. Ein Umweltvorteil gegenüber der SCR könnte sich durch die wesentliche Minderung der Emissionen von Kohlenmonoxid und organisch gebundenem Kohlenstoff ergeben. Ausreichende Betriebserfahrungen, die es zulassen würden, die Übertragbarkeit der Technik auf das Werk Dotternhausen zu beurteilen, liegen noch nicht vor.
Entscheidend ist letztlich jedoch nicht die eingesetzte Technik, sondern dass die Grenzwerte sicher eingehalten werden.
RP: Die LUBW (Landesanstalt für Messungen, Umwelt und Naturschutz) ist das Kompetenzzentrum des Landes Baden-Württemberg in Fragen des Umwelt- und Naturschutzes, des technischen Arbeitsschutzes, des Strahlenschutzes und der Produktsicherheit. Sie berät und unterstützt die Behörden bei ihren Aufgaben und stellt der Öffentlichkeit Information zur Umwelt zur Verfügung (siehe https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/startseite. Soweit die LUBW Daten zu emittierten Luftschadstoffen auswertet, greift sie hierzu auf die Messungen von bekanntgegebenen Stellen zurück (s.o. Frage 4).
RP: Voraussetzung für die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine Zementklinkerherstellung ist, dass im Rahmen des Genehmigungsverfahrens dargelegt werden kann, dass die Einhaltung der Emisionsgrenzwerte sichergestellt ist. Die Einhaltung dieser Grenzwerte ist eine wichtige Betreiberpflicht.
Überschreitungen der festgelegten Vorsorgewerte (siehe dazu auch Frage 42) ergeben sich i. d. Regel aus den kontinuierlichen Messungen und sind durch den Betreiber an die Überwachungsbehörde zu melden.
Bei einzelnen und offensichtlich geringfügigen Überschreitungen der Emissionsgrenzwerte wird i. d. R. von einer Information der Öffentlichkeit abgesehen, wenn keine negativen Auswirkungen zu erwarten sind. Da es sich bei den festgesetzten Grenzwerten um Emissions-Vorsorgewerte handelt, ist bei einer kurzzeitigen Überschreitung, z. B. eines Halbstundenmittelwerts, keine Überschreitung des Immissionsgrenzwerts in der Umgebung zu besorgen.
Gleichwohl werden in jedem Fall die Gründe für die Überschreitung von Grenzwerten ermittelt und Maßnahmen eingefordert, die eine schnellstmögliche Einhaltung gewährleisten bzw. verhindern, dass erneute Überschreitungen vorkommen.
Bei Überschreitungen, die zu Auswirkungen auf die Bevölkerung führen können, wird die Öffentlichkeit informiert.
Bifa: Die Einhaltung der Grenzwerte wird mit einer Kombination verschiedener Maßnahmen erreicht. Der Maßnahmenkatalog reicht von einem Qualitätsmanagement der Einsatzstoffe, über Prozessüberwachung und –steuerung, über Wartung und Instandhaltung der Anlage bis hin zu einer effizienten Abgasreinigung und regelmäßigen Kontrollmessungen. Regelmäßige Wartung und unabhängige Kontrolle der Messeinrichtungen nach definierten Grundsätzen gehören ebenfalls zu den Maßnahmen, die die Einhaltung der Grenzwerte sicherstellen.
Grenzwertüberschreitungen sind durch die kontinuierliche Überwachung ohne Verzögerung erkennbar.
Die Meldung von Überschreitungen an die zuständige Behörde ist eine der Betreiberpflichten. Da die Messberichte der zuständigen Behörde stets zur Prüfung vorgelegt werden müssen, kann hier auch überprüft werden, ob diese Betreiberpflicht erfüllt wurde oder nicht.
Die Öffentlichkeit wird über die Ergebnisse der Überwachung nach Maßgabe des Umweltinfor-mationsgesetzes informiert. Letzteres legt auch fest, dass die Öffentlichkeit bei Grenzwertüberschreitungen, von denen relevante Auswirkungen auf Gesundheit und/oder Umwelt zu erwarten sind, informiert wird.
Zusatzfragen aus der 2. Dialogveranstaltung
Bifa: Polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane (PCDD/PCDF), kurz „Dioxine“ sind organische Spurenstoffe, deren Bestimmung lange Probenahmezeiten (> 6 h) und eine sehr aufwendige Probenaufarbeitung erfordert. Die Messung erfolgt dann mit hochauflösenden Massenspektrometern.
Ein kontinuierliches Verfahren zur Bestimmung steht nicht zur Verfügung, insofern besteht nicht die Möglichkeit einer kontinuierlichen Messung.
Technisch möglich ist hingegen eine Langzeitprobenahme, deren Ergebnis dann den Mittelwert über die Probenahmedauer darstellt. In Belgien wurde eine derartige Langzeitprobenahme vor rund 16 Jahren aus politischen Gründen für Abfallverbrennungsanlagen vorgeschrieben (Wallonie: Arrêté du Gouvernement Wallon du 11 mai 2000, Flandern: VLAREM II). Die Probenahmezeiträume dort liegen zwischen 14 Tagen und 4 Wochen. Die Ergebnisse der Langzeitprobenahmen zeigen nur sehr vereinzelt Überschreitungen des Grenzwerts. Diese hatten keine wesentliche Erhöhung der Dioxinemissionen zur Folge und wurden durch ohnehin bekannte Störungen an den Anlagen verursacht.
In Deutschland wird weder bei Abfallverbrennungsanlagen noch bei Mitverbrennungsanlagen eine Langzeitprobenahme vorgeschrieben, weil hinreichend Erfahrung vorliegt, dass die Grenzwerte eingehalten werden.
Die Gefahr einer Dioxinentstehung ist bei Zementöfen auch beim Betrieb mit Ersatzbrennstoffen wegen des geringen Chlor-Gehalts und des guten Ausbrands in der Regel so gering, dass keine Gefahr einer Grenzwertüberschreitung besteht.
Holcim: Zweifelsohne ist das Werk von Holcim mit GÖS-Produktion und Drehrohrofen zur Zementproduktion der größte Emittent in Dotternhausen. Im Gegensatz zu den verkehrsbedingten Emissionen und den Emissionen durch Hausheizungen werden sie jedoch nicht bodennah oder in geringer Höhe abgegeben, sondern über Kamine, die 72 m (Block 1 und 2 der GÖS-Produktion) bzw. 92 m hoch sind. Dadurch sind die Ableitbedingungen wesentlich günstiger als bei den in geringerer Höhe emittierten Schadstoffen.
Die verkehrsbedingten Emissionen wirken in der direkten Umgebung des Autoverkehrs.
Bei zweigeschossiger Bauweise werden die Emissionen aus den Hausheizungen in etwa 10 m Höhe freigesetzt, bei eingeschossiger Bauweise bei noch geringerer Höhe. Weil die Emittenten direkt in den Wohngebieten liegen, sind die Auswirkungen der Hausheizungen auf die lokale Immissionssituation in der Regel stärker als die Emissionen entfernt liegender Emittenten.
Genaue Werte der Belastung der Luft durch Haushalte und Verkehr sind für Dotternhausen und die nähere Umgebung nicht bekannt. Diese Information könnte im Prinzip indirekt durch Immissionsmessungen ermittelt werden. Dazu müssten Messungen der Luftbelastung durchgeführt werden und es müsste gelingen, die Gesamtbelastung den verschiedenen Emissionsquellen zuzuordnen.
Eine Abschätzung des Einflusses von Haushalten und Verkehr ist über sogenannte Emissionsfaktoren in Kombination mit einer Ausbreitungsrechnung möglich. Emissionsfaktoren beschreiben die Schadstofffreisetzung verschiedener Heizungsarten bzw. Fahrzeugtypen. Anhand des gesamten Energiebedarfs für die Gebäudeheizung und der Anteile der verschiedenen Heizsysteme kann so die auf Heizungen entfallende Schadstoffemission berechnet werden. Analog werden die verkehrsbezogenen Emissionen über die Fahrzeugtyp-bezogenen Emissionsfaktoren und das Verkehrsaufkommen berechnet. Mit Hilfe von Ausbreitungsrechnungen kann mit den für Heizungen und Verkehr errechneten Emissionen dann unter Berücksichtigung der Anordnung der Quellen, der Witterungsverhältnisse, der Bebauung usw. berechnet werden, welche mittleren Konzentrationen an Luftschadstoffen in der Umgebungsluft auftreten.
Derartige Berechnungen erfordern eine detaillierte Aufnahme der Ausgangsbedingungen und sie sind wegen der Vielzahl von Quellen ungleich komplexer als die Ausbreitungsberechnungen für die Emissionen einzelner industrieller Anlagen. Ein Beispiel für die Ermittlung der durch Verkehr verursachten Immissionen sind die Berechnungen der NO2-Immissionen, die als Basis des Luftreinhalteplans Balingen durchgeführt wurden.
Überschlägig lassen sich die von Heizungen, Verkehr und dem Ferntransport von Schadstoffen verursachten Immissionen ableiten, indem Werte herangezogen werden, die die Luftbelastung in Gegenden ähnlicher Struktur aber ohne die industriellen Quellen beschreiben. Solche Werte sind aus Messprogrammen des LUBW bekannt. Die Luftbelastung durch das Zementwerk kann anhand der Immissionsprognosen und den tatsächlichen Emissionswerten des Zementwerks errechnet werden. Daher ist es möglich einen Anhaltswert für die Gesamtbelastung und für die Anteile des Zementwerks und, zusammengefasst, der Heizungen, des Verkehrs und des Schadstoff-Ferntransports an der Gesamtbelastung abzuschätzen.
Für die untenstehende Tabelle wurden von der LUBW in ländlichen Gebieten gemessene Daten und von Drehofen und GÖS-Produktion verursachte Immissionen zusammengestellt. Die Werte für die von der Zementproduktion verursachten Immissionen beruhen auf den aktuellen Emissionswerten. Sie wurden für die am höchsten belasteten Wohngebiete im Einflussbereich des Zementwerks anhand der im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für Block 4 der GÖS-Produktion erstellten Immissionsprognose berechnet.
Immissionen in Wohngebieten Dotternhausens und Umgebung
(Schätzwerte aus der Hintergrundbelastung und dem Immissionsbeitrag von Holcim)
Parameter Belastung durch Belastung
gesamt Grenzwert Anteil
Heizung, Verkehr
und Ferntransport Drehofen
und GÖS-Produktion
(max.) Heizung,
Verkehr und
Ferntransport Drehofen
und GÖS-
Produktion
(max.)
SO2 µg/m³ 4 1,2 5,2 50 77 % 23 %
NO2 µg/m³ 10 0,5 10,5 40 95 % 5 %
NOx µg/m³ 17 2 19 30 89 % 11 %
Feinstaub (PM10) µg/m³ 16 0,01 16 40 > 99 % <1 %